Spontane Hasstiraden
(un)durchdachte Liebeslieder
Mofas und schwarze Magie

Oh, wie oft habe ich mir in den letzten Tagen vor meiner Abreise gedacht: „Im Kommunismus wäre ich einfach in den Flieger gestiegen und nach Kamerun geflogen“. Nach ewig langem hin und her, riesen Theater mit Flug und Visum, einem „auf den letzten Drücker“ Ausflug nach Frankfurt a.M. um zweiteres endlich abzuholen habe ich es endlich geschafft. Ich bin in Limbe angekommen und habe meine erste Woche gut hinter mich gebracht. Zeit für ein Lebenszeichen von mir =)

Bei meiner Ankunft in Douala warteten meine beiden Chefs (Elvis und Emmanuel) und die andere Freiwillige, Rosa aus London (die coolerweise tatsächlich nach Rosa Luxemburg benannt wurde) schon auf mich um mich in die Wohnung die ich mir mit ihr und einem kamerunischen Freiwilligen namens Arnold teile. Natürlich saßen wir in Douala erstmal im dicksten Feierabendverkehr fest. Das gab mir dann allerdings die Möglichkeit die ersten Eindrücke zu sammeln. Es war schon komisch dicht an dicht gebaute, gammelige Holzhütten mit Wellblechdächern tatsächlich in der Realität zu sehen, statt in Dokus über irgendwelche Slums. In Douala beträgt das Durchschnittseinkommen übrigens umgerechnet ca. 40 € im Monat. Was ich als Freiwillige als Taschengeld bekomme ist umgerechnet so ca. 100€ mehr, und ich muss davon keine Miete oder sowas zahlen. Was mich allerdings besonders fasziniert hat, war die Straßenverkehrsordnung in Kamerun. Es gibt sie nämlich ganz einfach nicht. Ernsthaft. Während wir um Stau standen kam uns ein Fahrschulauto entgegen, der junge Mann hinter dem Steuer (den ich jetzt einfach mal als den Fahrschüler deute) tippte während der fahrt seelenruhig auf seinem Handy rum. Da musste ich schon zweimal hinschaun um das wirklich zu glauben… Wer ein Taxi braucht kann sich entweder eine klapprige gelbe Kiste nehmen, oder sich (ohne Helm und alles) hinten auf ein Mofa mit raufsetzen. Diese Mofafahrer fahren übrigens wie die Bekloppten. Die Mofaerfahrung hab ich übrigens auch schon zum ersten mal hinter mir. Ganz schön wackelige Angelegenheit, aber denke das ist Gewöhnungssache.

In der Wohnung musste ich auch ein paar mal herzhaft loslachen. Wer hier sowas wie die Duschen die man aus Deutschland kennt erwartet wird enttäuscht. Es gibt einen kleinen Raum mit Toilette und Waschbecken, man kann sich gerade so darin umdrehen. Am Boden befindet sich ein Abfluss und an der Wand hängt ein Duschkopf. Es gibt auch nur kaltes Wasser, das ist bei den Temparaturen hier aber echt egal. Ein wenig nerviger ist es dann schon, dass auf Grund der Tatsache, dass wir im dritten Stock wohnen der Wasserdruck extrem niedrig ist und so nur ein kleines Rinnsal von Wasser aus dem Duschkopf tröpfelt. Besondere Highlights bei unserem Badezimmer: Das Licht ist kaputt. Von der Decke hängt eine Halterung für eine Glühbirne, die aber irgendwie keine Glühbirnen hält. Haben versucht eine reinzudrehen, ist rausgefallen. Außerdem schließt die Badezimmertür nicht und irgendwie fehlt am unteren Ende der Türe ein ordentliches Stück Holz. Die Küche ist minimal größer als das Badezimmer. Wir haben 2 Gasherdplatten und einen Kühlschrank. Er funktioniert sogar und hat ein (auch funktionierendes) Eisfach. Abgewaschen wird mit kaltwasser und Seife. Also ja, lustig hier.

Noch eine wichtige Sache an die man wissen sollte wenn man hier ist: Auch wenn man die Zeitzone nicht verlassen hat laufen hier die Uhren ein bisschen anders. Hier wird nämlich unterschieden zwischen „European time“ und „Blackman time“. „Blackman time“ heißt, immer 1-2 Stunden später einplanen als ausgemacht. Wenn man aus der radikalen Linken kommt, ist das also keine große Umstellung. Ich stecke das Klima deutlich besser weg als gedacht. Auch was (zumindest in Limbe) das Wasser angeht, ist dieses deutlich sauberer besser als so erzählt wird. Uns wurde gesagt jetzt am Anfang sollten wir das Wasser was wir trinken wollen erstmal noch kochen und dann kaltstellen bevor wir es trinken, wenn wir eine Weile hier waren und unsere Körper sich an alles hier gewöhnt haben, sollte es anscheinend auch kein Problem sein das Leitungswasser direkt zu trinken(Die ganze Zeit Wasser in Flaschen zu kaufen ist auf die Dauer ganz schön teuer). Auch die Mücken-Situation ist weniger schlimm als erwartet habe. Und ich habe noch keine einzige Riesenspinne gesichtet. Nur Ratten, Mäuse und Echsen. Allerdings auch nur draußen. Da es bei meiner Ankunft dunkel war konnte ich die Umgebung erst am nächsten Morgen begutachten. Als ich aufgewacht bin und ich aus dem Fenster geschaut habe hat es mich fast umgehauen. SO SCHÖN IST ES HIER.

Rosa und ich sind hier aber schon eine ganz schöne Attraktion. Wenn wir durch die Gegend laufen rufen uns die Leute recht oft „Whiteman“ oder „Whiteman! How?“ entgegen. Ist seltsam wenn man nicht darauf vorbereitet ist, ist aber auch nicht böse gemeint. Das „how?“ ist auch einfach nur Pidgin für „wie geht’s?“. Gerade Kinder haben halt zum Teil noch nie einen hellhäutigen Menschen gesehen. Ich hatte eine recht niedliche Begegnung. Ich lief in der Mittagspause nach Hause um mir etwas zu essen zu machen. Auf der anderen Straßenseite stand ein kleines Mädchen, sie winkte wie wild und rief „Whiteman! Whiteman! Whiteman!“, als ich sie grüßte strahlte sie übers ganze Gesicht, und als ich weiter lief winkte sie weiter und rief mir nochmal „bye whiteman“ hinterher. Irgendwie fand ich das schon ganz schön süß =)

Mit dem Team komme ich eigentlich ganz gut klar. Mit ein paar Leuten kann man auch ganz gut diskutieren. Die meisten hier sind aber extrem gläubig und homophob, mit Ausnahme meines Mitbewohners Arnold. Von ihm wird aber auch gesagt er sei kein echter Kameruner sondern mehr Europäer. Er ist wahnsinnig interessiert wenn Rosa und ich ihm von Protestbewegungen in Europa erzählen oder wenn ich ein bisschen Staatskritik zum besten gebe. Auch mit Elvis kann man über manche Sachen ganz gut diskutieren. Mit ihm habe ich relativ lange über die fehlende Protestkultur in Kamerun geredet. Und es scheint hier tatsächlich sehr schwer zu sein. Wenn es hier eine Demo oder ähnliches gibt es immer Ausschreitungen. Das heißt hier aber nicht, dass die Demo niedergeknüppelt oder mit Pfefferspray und Wasserwerfen angegriffen wird. Sondern das heißt hier, dass die Polizei mit scharfer Munition auf Demonstranten schießt. Da wird einem schon ein bisschen mulmig. Falls es nächstes Jahr wieder so einen globalen One Billion Rising Aktionstag geben sollte, werden wir trotzdem versuchen etwas auf die Beine zu stellen. Wahrscheinlich eher keine Demo. Da das Eskalationsprotential hier halt Lebensgefährlich ist, aber vielleicht eine Kundgebung oder so. Mal sehen. Das wäre dann ein kleines Projekt von mir =)

Ein bisschen verrückt sind die Leute hier aber irgendwie schon. Ich hab gedacht ich fall aus allen Wolken, als unsere Mentorin Iya (junge Frau von 22 Jahren) beim gemeinsamen kochen anfing zu erzählen wie gemein die Männer hier sind. Sie würden schwarze Magie benutzen um weiße Mädchen zu verführen und um mit ihnen ins Ausland abhauen zu können. Ich habe irgendwie versucht klarzustellen, dass das nichts mit schwarzer Magie zu tun haben muss wenn sich weiße Mädels in die kamerunischen Jungs verknallen. Vergeblich. Weiter ging es dann damit, dass sich Menschen hier schlichtweg nicht von sich aus scheiße verhalten würden. Wenn z.B. ein Kind aufeinmal anfängt andere Kinder zu ärgern und zu schlagen, dann kann das keinen Zusammenhang zu der strengen kamerunischen Erziehung (unteranderem Schläge) liegen. Im Gegenteil, diese Erziehung sei der Grund warum die alle Nett sind. Wenn ein Mensch also nicht nett ist, dann muss er von einem Dämon besessen sein. Ich hab noch ein paar Anläufe genommen und versucht zu erklären, dass es einfach viele Gründe haben kann warum ein Kind gewalttätig wird, hab dann aber recht schnell aufgegeben. Manchmal muss man auch wissen wann man besten die Segel streicht, weil es einfach keinen Sinn hat.

Das „Nachrichten Highlight“ dieser Woche war etwas was mir als ein besonders seltener Fall von schwarzer Magie beschrieben wurde. In einem Hotel in einer Nachbarstadt soll sich ein Mann in eine riesige Anakonda verwandelt und seine Frau in einem Stück verschluckt haben. Schwarze Magie auszuüben ist übrigens auch illegal. Somit wurde der Mann der verschluckten Frau verhaftet und wird jetzt wohl eine ganze Weile im Knast vor sich hingammeln. Die Geschichte geht mir irgendwie echt nicht aus dem Kopf. Ich hab echt keine Worte dafür.

Außerdem sind wir was die Arbeit die wir machen inhaltlich sehr eingeschränkt. Also, liebe GEGEN_KULTUR Genossen: freut euch nicht zu früh, wenn ich jetzt gleich schreibe, dass Rosa und ich ein Projekt leiten in dem wir eine Zeitschrift verlegen. Das Projekt heißt „In Between“ und ist eine Zeitschrift von Schülern für Schüler. Mit dem Hintergrund, dass in Kamerun absolut keine Lesekultur vorhanden ist. Es wird nur gelesen was man für die Schule lesen muss. Mit diesen Schülern und Schülerinnen dürfen wir z.B. nicht mal eine Diskussion darüber anstoßen, dass Homosexualität in Kamerun illegal ist (Homo → viele, viele Jahre Knast). Und zwar aus dem Grund, dass die Schulleitungen und die Eltern die Zusammenarbeit mit uns verbieten würden wenn wir das tun würden. Aus dem gleichen Grund müssen wir wenn wir über Verhütung aufklären ergänzend zu allem anderen sagen, dass die beste Verhütung Abstinenz ist. Mal sehen ob ich mich da drum rumwursteln kann… Langsam glaube ich es ist vielleicht am vernünftigsten mich während der Arbeit mit OGCEYOD Kreide zu schlucken und mir die Diskussionen und die Agitation für den informellen Rahmen aufzuheben. Kleine Übung für den Fall, dass ich doch noch soziale Arbeit studiere 😉

Naja, ich bin gespannt was so auf mich zukommt. Mir kommen schon Ideen für neue Projekte mit OGCEYOD, dazu mehr wenn sich die Idee verfestigt hat und ich mir sicher bin ob ich ein eigenes neues Projekt leiten will oder nicht. Es gibt ein laufendes Projekt bei dem Insassinnen im Frauenknast Essen gebracht wird (man kriegt nur mit Essensspende nen Besuchstermin) und bei der Gelegenheit nach den Haftbedingungen geschaut wird. Da darf ich auch mal mit. Ich bin gespannt.

Ich bin sowieso gespannt was so auf mich zu kommt. Das wird mit Sicherheit ein spannendes Jahr.

 

(Fotos gibts irgendwann wenn das Internet mitmacht)

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