Spontane Hasstiraden
(un)durchdachte Liebeslieder
„Im Afrikanischen Kontext…“ – …ist vieles halt doch der gleiche Mist

Seit gut 10 Monaten lebe ich jetzt in Kamerun, meine Zeit hier neigt sich dem Ende und ich habe kaum etwas inhaltliches von mir gegeben. Eigentlich verwunderlich, denn auch hier gibt es genug zu kritisieren. Seit vielleicht 4 Monaten schreibe ich hin und wieder an einem mehrteiligen Text der sich wahrscheinlich nicht zu genüge mit einigen Sachen die hier so schief laufen auseinandersetzt, aber einfach mal ein Versuch sein soll euch die ich zurückgelassen habe einen Eindruck davon zu geben womit ich mich hier so rumschlage.

Erstmal war es von Anfang an nicht ganz einfach hier. Es hat vor allem für Leute im Büro einige Zeit gebraucht um zu begreifen, dass der Grund warum ich „so ist hier halt die Kultur“ nicht als Argument für die Richtigkeit einer Sache hinnehme nicht der ist, dass ich „deutsche“ oder „europäische“ Kultur für die „richtige“ und afrikanische für die „falsche“ halte. Ich glaube mein Chef hat inzwischen kapiert, dass es mir darum geht, dass „kulturelle Prägung“ nicht nur hier sondern ganz allgemein zwar ein Grund für eine bestimmte Verhaltensweise sein kann, aber kein Argument für die Richtigkeit einer Sache ist. Das war wirklich gar nicht mal so einfach. Ich glaube wir diskutierten mal wieder über Homosexualität und er warf mir vor ich würde versuchen ihm meine westlichen Werte auf zu zwingen. Bei uns sei das ja normal, aber hier gäbe es sowas halt nicht. Im Ton habe ich mich möglicherweise vergriffen, die Antwort kam jedoch ganz klar an: Die Akzeptanz und Toleranz von Homo- und Bisexualität ist kein selbstverständlicher Bestandteil „deutscher“ Kultur. Bei jeder Parade, Demo oder Aktion bei der es um Gleichstellung Homosexueller Paare geht gibt es Gegenaktionen. Und es sind immer die Gegner, die damit argumentieren, dass die „deutsche“ Kultur eine christliche ist und in der Bibel stehen würde, dass Homosexualität eine Sünde ist. Ich bin mir sehr sicher, dass dies nicht das erste mal war, dass ich ihm das gesagt habe. Es war jedoch das erste mal, dass ich ihn dabei angeschrien habe. Normalerweise eher kontraproduktiv… In diesem Fall seltsamerweise der einzige Weg endlich verstanden zu werden.

Diese Schwierigkeiten beschränken sich allerdings nicht auf meinen Chef. Ganz allgemein gibt es hier in solchen Fällen ein lieblings „Todschlagargument“: „Im afrikanischen Kontext ist das aber so/gibt’s das nicht/ist das falsch“. Damit ist jede Diskussion Tod. Wenn man danach noch versucht was zu sagen, wird einem in den meisten Fällen sowieso nicht mehr zugehört.

Ein paar Unerträglichkeiten mit denen ich mich mehrfach auseinandersetzen musste:

Wer Schwul ist ist von einem bösen Geist besessen. Denn im afrikanischen Kontext gibt es keine Homosexualität.“

Ja, ich weiß. Bei euch das anders. Aber hier in Afrika sind Menschen wirklich nur dann schwul, wenn sie beschließen schwul zu sein. Anders gibt’s das hier einfach nicht. Nicht mal in der Tierwelt. Oder hast du schon mal nen schwulen Löwen gesehen?“

Im afrikanischen Kontext ist es aber wichtig für eine Frau kochen und putzen zu können. Sonst heiratet sie niemand. Niemand will einen ‘Brideprice’ für eine Frau bezahlen die nicht kocht und putzt.“

Aber hier in Afrika meckern viele Frauen ganz schön viel rum. Oder sie betrügen ihren Mann. Die muss man ab und zu schlagen.“

Afrikanische Kinder sind ganz einfach anders als weiße, das wirst du bei deiner Arbeit schon noch merken. Wenn man denen nicht hin und wieder zumindest mit Schlägen droht tanzen die einem nur auf der Nase herum.“

Ja, bei euch ist das normal wenn die Kinder mehr Freiheiten haben. Aber deswegen benehmen sich Kinder bei euch auch so daneben. Hier, in Afrika werden Kinder mit strenger Hand erzogen. Wenn afrikanische Kinder groß werden und sich dann immer noch nicht gut benehmen kann das also nur davon kommen, dass sie von einem Dämon besessen sind.“

Im afrikanischen Kontext ist Religion furchtbar wichtig für die Leute. Ich weiß bei euch gibt’s das alles nicht. Aber hier gibt es halt Dämonen und böse Geister. Davor kann man sich halt nur mit Religion schützen.“

An dieser Stelle werde ich jetzt nicht weiter über diese Aussagen urteilen, lediglich meinen (kamerunischen) Mitbewohner Arnold zitieren:

Ich bin hier aufgewachsen, aber ich frag mich immer was die eigentlich mit ‘afrikanischem Kontext’ meinen. Das sagen die immer wenn ihnen die Argumente fehlen. Dann biegen sie sich die Sachen so hin wie sie wollen und sagen ‘so ist hier halt die Kultur’ oder ‘im afrikanischen Kontext ist das so und so’. Was denn bitte für ein afrikanischer Kontext wenn es zum Beispiel um Feminismus oder Homophobie geht?“

Naja, jedenfalls haben diese und ähnliche Aussagen mich dazu bewegt einen Text zu schreiben. Dieser ist zwar noch nicht fertig, aber ich merke schon, dass er ganz schön lang wird. Deshalb werde ich ihn als Reihe mit dem Titel „Im Afrikanischen Kontext…“ hier Stück für Stück veröffentlichen. Aufgeteilt in Nationalismus und Staatsgläubigkeit, Wirtschaft, Christentum, Geschlechterrollen und Feminismus und Umgang mit Homosexualität. Wie gesagt, ich werde diesen Themen wahrscheinlich zu 100% gerecht werden. Ich hoffe dennoch ihr bekommt einen umfangreichen Eindruck von einigen Sachen hier.

Ihr dürft also gespannt sein =)

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