Spontane Hasstiraden
(un)durchdachte Liebeslieder
Kirche, Kumba und kamerunische Cops (23.11. 2013)

Ja, meine 3. Woche in Kamerun war eine sehr… Eeehm… Nennen wir es mal ereignisreiche. =)
Ich beginne mal mit dem Sonntag meines zweiten Wochenendes in Kamerun. Ich habe nämlich genau zwei Sachen getan die ich sonst nie nie niemals tun würde. Ich bin morgens in die Kirche gegangen (den Versuch mich dazu zu bringen gab es schon an meinem ersten Wochenende, da habe ich mich aber elegant mit Kater und Restbesoffenheit rausgewuselt) und ich habe ein quali-Spiel für die WM angeschaut. Und nein, ich wurde keiner Gehirnwäsche unterzogen (glaube ich zumindest).

Also, mit leicht mulmigen Gefühl betrat ich Sonntags um 9 Uhr morgens „Winners Chapel“ in Limbe. Irgendwie ahnte ich schon, dass hier nichts gutes auf mich zu kommen würde. Ich fühlte mich die ganze Zeit doch mehr als nur dezent unwohl. Überall waren Leute die nahezu ekstatisch ihren Herrn und Jesus oder was auch immer anbeteten und dabei tanzten und Lobgesänge sangen wie die Bekloppten. Ein paar Reihen vor mir stand eine Frau mit dem Gesicht nach oben gerichtet, die Hände gen Himmel streckend als würde der heilige Geist jeden Moment in sie hineinfahren. Das war der Moment als ich beschloss mich einfach nur hinzusetzen, mich möglichst wenig zu bewegen und einfach aus zu harren. Rosa hatte es da irgendwie leichter, sie meinte später sie könnte da recht gut das Hirn abschalten und einfach rumtanzen ohne drauf zu hören was die da singen. Ich kann das nicht. Will es aber auch gar nicht.
Nach der ersten sing und Tanzeinlage war es Zeit für „children’s thanksgiving“. Da haben ein Haufen Kinder unterschiedliche Sachen vorbereitet. Lieder, Sketche usw. Natürlich hatten alle was mit Gott oder Jesus zu tun. Das war irgendwie niedlich, wenn auch etwas befremdlich.
Naja, nach wiederholtem scheinbar ewigem singen, loben, tanzen wurde dieses Öl Dingsda gemacht… Ich weiß nicht wie das heißt. Wenn man so komisches gesegnetes Öl auf die Stirn gebatscht bekommt und man dadurch irgendwie beschützt werden soll. Was sich dabei abgespielt hat ließ mir die Kinnlade auf den Boden klappen. Da springt dieser Pfarrer tatsächlich hinter seinem Pult auf und ab und brüllt förmlich durch die Gegend für was dieses Ölgebatsche alles gut ist. Wenn du geölbatscht bist musst du dir nämlich offensichtlich nie wieder Sorgen machen. Um nichts! Du wirst immer Geld haben, du musst nie Hungern, du wirst alle Ziele die du dir setzt erreichen und was man sich sonst alles wahnsinniges Vorstellen kann. Aber Achtung! Das Ölgebatsche wirkt nur bei ganz bestimmten Menschen! Nämlich bei denen die ganz besonders fest glauben. ACHSOOOO! Jetzt wird mir einiges klar! Leute die so arm sind, dass sie auf stehlen, containern und/oder betteln angewiesen sind, sind das nicht weil es im Kapitalismus nicht um ihre Bedürfnisse geht, sondern weil sie nicht fest genug glauben! Und wahrscheinlich sind sie nicht mal geölbatscht! Na mal so was von selber schuld!
Ernsthaft… Habe nicht damit gerechnet, dass Leute so was tatsächlich behaupten..
Nach dem Ölgebatsche wurde dann gebetet.
Mein absolutes Highlight dieses verrückten Vormittags war „Testemony Time“! Das ist der Wahnsinn. Da stellt sich eine ewig lange Schlange von Leuten an um vor ein paar hundert Leuten Gott für jeden scheiß der ihnen so passiert zu danken. „Ich habe auf einen Test gelernt, am Abend davor habe ich dann gebetet, dass die Fragen kommen auf die ich gelernt habe. Sie kamen tatsächlich dran und ich habe diesen Test bestanden! Danke Gott, gelobet seist du!“; „Mein kleiner Sohn ist auf die Schnauze geflogen und hatte eine Platzwunde am Kopf. Danke Gott, dass es nicht sein Auge erwischt hat!“ und mein absoluter Favorit: „Ich danke Gott dafür, dass er mir meinen Verlobten geschickt hat. Vor 4 Monaten haben wir uns kennen gelernt und jetzt sind wir schon verlobt! Danke, danke, danke Gott!“.
Naja, also jetzt kommt aber das wirklich schlimme. Da ich zum ersten mal dort war, wurde ich gegen Ende des Gottesdienstes mit anderen Neulingen nach vorne gebeten. Wie gerne ich untergetaucht wäre… Als eine von zwei weißen fällt man nur leider ein bisschen auf. Wir wurden dann in einen Nebenraum begleitet und man versuchte mir ein Gespräch darüber rein zu drücken wie ich es fand ob ich wieder komme und so weiter. Ich bekam auch einen Zettel in dem ich meine Nummer, meine Adresse eintragen sollte, und zu welchen Uhrzeiten an welchen Tagen man mich zu Hause antreffen könnte um mit mir zu reden. Ich ließ den Zettel größtenteils leer, und als der Mann der das Gespräch mit mir führte begann mich wegen den nicht ausgefüllten Zeilen zu befragen war ich ganz ehrlich kurz vorm Heulen. Ernsthaft. Ich wollte nur noch raus da. Zum Glück kam in dem Moment mein Kollege Alexie der schon länger in diese Kirche geht und die Leute kennt und rettete mich. Endlich draußen. Durchatmen. Ihr hättet mich sehen müssen, ich war mit Sicherheit Kreidebleich als ich da raus kam. Mag übertrieben wirken, aber es war wirklich ein sehr traumatischen Erlebnis für mich. Ich weiß auch ganz ehrlich nicht ob ich das ruhige, andächtige Beten und Singen in Deutschland oder das völlig wahnsinnige Abgefeiere in „Winners Chapel“ gruseliger finde.
Naja, zu Hause konnte ich mich dann von diesen Eindrücken erholen und sah mir danach mit Rosa, Elvis und Kchris (ein Künstler aus Limbe der wenn es gebraucht wird immer wieder Banner und Schilder für OGCEYOD anfertigt, außerdem hängt er ziemlich oft im Büro rum, und tauch vermehrt einfach so bei uns zu Hause auf um mit uns zu chillen) das Fußballspiel an. Kamerun gegen hab ich vergessen. War witzig. Es gab während dem Spiel 3 Stromausfälle. Da sind ein paar Menschen ganz schön ausgflippt.

Naja, ich mach mal mit den weniger traumatischen Sachen weiter. Nämlich mit unseren Ausflügen nach Kumba (bzw. zu einem Dorf im Busch in der nähe von Kumba) und den kamerunischen Cops.
Am Montag ging es erstmal mit dem Auto nach Kumba und dann weiter mit dem Motorrad durch die Pampa zum Dorf, um den Stand von einem Fairtrade Projektes zu checken (was ich von dem Projekt halte sei jetzt erstmal dahingestellt..). Dieses Projekt besteht aus dem Bau einen Röstofens für Kakaobohnen, damit die Bewohner des Dorfes Kakaobohnen nach fairtrade Maßstab rösten, und auch mal ein bisschen in der Konkurrenz mitmischen können. So stiegen Elvis, Emmanuel, Rosa und ich Morgens um 7.30 Uhr (!!!) ins Auto um nach Kumba zu fahren. Wir kamen nicht mal aus Limbe raus, da blieb das Auto (welches in der Woche davor fast jeden Tag in der Werkstatt war weil es nicht anspringen wollte) zum ersten mal liegen. Also, nochmal in die Werkstatt damit. Guter Dinge und voller Vorfreude auf die Motorradfahrrad durch die kamerunische Pampa ging es dann um 9 weiter. Wir mussten bestimmt durch 5 Polizeicheckpoints durch und zu irgendeinem Zeitpunkt befanden wir uns wohl auch zwischen einem Polizeiauto und einem Laster der von diesem verfolgt wurde. Also, einige Checkpoints und riesen Verwirrung weil die Cops zu dumm waren mein Visum zu lesen später dachten wir dann wir hätten es fast geschafft. Doch dann, in einem Dorf mit dem netten Namen Bombe, blieb das Auto nochmal liegen. Irgendwann kam jemand aus einer Werkstatt aus einem Nachbardorf vorbei, schaute sich das Auto an und stellte fest: der gute Elvis wurde bei der Reparatur seines Wagens ganz schön übers Ohr gehauen. Der Mensch der es reparieren sollte hat lediglich Teile (vermutlich zum Weiterverkauf) ausgebaut und durch nicht fumtionsfähige gefälschte Teile ersetzt. Keine Chance, dass wir mit dem Auto bis nach Kumba kommen. Also blieb Emmanuel bei dem Auto während es repariert wurde und Elvis, Rosa und ich uns mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Kumba bewegten. An einem der Checkpoints machten Rosa und ich dann eine Erfahrung die ich bisher nur andersrum kannte. Der Bus wurde angehalten und lediglich wir zwei wurden kontrolliert. War echt mal ne Erfahrung der etwas anderen Sorte kontrolliert zu werden während der ganze Bus ausrastet und sich drüber aufregt was der scheiß denn bitte soll. Naja, irgendwann kamen wir dann tatsächlich in Kumba an und auf die Motorräder die uns zu dem Dorf fahren sollten mussten wir dann auch nicht lange warte. Eine ¾ Stunde und einige Checkpoints mit wahnsinnig unfreundlichen Beamten später kamen wir dann in dem Dorf an. Man muss dazu sagen, dass die Landschaft die wir vom Motorrad aus begutachten konnten einfach nur der Wahnsinn war! Im Dorf angekommen schauten wir nach wie weit der Röstofen war und trafen uns dann zur Planung der Eröffnungsfeier mit dem Hauptmann des Dorfes in seinem Palast (stellt euch nichts zu krasses vor, das Ding heißt halt so). Danach gings dann wieder zurück. Motorrad, Bus, Auto. Letzteres war diesmal tatsächlich repariert und als wir an der Werkstatt ankamen nahm uns ein leicht besoffener Emmanuel überschwänglich in Empfang. Ihm war wohl langweilig während er auf uns wartete. Dann gings endlich zurück nach Limbe und dort ziemlich direkt ins Bett. Ich glaube bis wir zu Hause waren war es auch schon wieder 9 oder 10 Uhr Abends.
Am Freitag gings dann weiter mit Kumba bzw. Dorf 2.0. Geplant war 6.30 Uhr abfahrt… Und glaubt es oder nicht, ich war zwar hundemüde, aber ready to go. Es wurde dann auf Grund anderer Schnarchnasen eher so 7.30 Uhr. Dafür ging es dann zumindest bis Kumba in einem Ruck durch. Diesmal sollte es von dort aber nicht mit Motorrädern sondern mit einem Pickup-Truck weiter ins Dorf gehen, da wir ein paar mehr Menschen waren. Von OGCEYOD hatten wir für die Eröffnungsfeier zusätzlich Alexie mit an Bord und in Kumba stiegen dann noch irgendwelche wichtigen Menschen dazu die bei der Realisierung des Projektes geholfen hatten. Außerdem sollte das Auto der britischen stellvertretenden Botschafterin hinter uns her fahren, da die britische Botschaft das Projekt finanziert hatte. Die gute Dame scheint sich aber an „blackmantime“ angepasst zu haben, denn ihr Wagen kam ungefähr eine Stunde nachdem die Eröffnungsfeier hätte beginnen sollen in Kumba an. Rosa und Alexie hatten wir schon mit einem Motorrad vor geschickt um die Eröffnung vorzubereiten. Als es dann mit mit den anderen in den Pickup gequetscht in Richtung Dorf ging wünschte ich mir wirklich sehr, ich wäre auch mit einem Motorrad vorgefahren. Es war so was von eng, bollenheiß, langsam und ruckelig. Kurz bevor wir das Dorf erreichten erwartete uns schon ein festlicher Umzug der uns in das Dorf begleitete. Als wir ausstiegen erfuhr ich dann am eigenen Leib wie es sein muss von Paparazzis umzingelt zu sein. Aus jeder Richtung wurden mir Kameras ins Gesicht gehalten. Mir kam das ganze schon ein bisschen wahnsinnig vor. Naja, danach gab’s traditionelle Tänze und ein paar Reden, die letzte davon von der stellvertretenden britischen Botschafterin, die im Anschluss das Band vorm Ofen durchschnitt und ihn somit offiziell eröffnete. Sie zischte ziemlich schnell wieder in ihren Wagen, während Rosa und ich von Horden von Kindern verflogt wurden die uns alle anfassen und Fotos mit uns machen wollten. Aus jeder Richtung hörte ich „whiteman! Can I have your number?“. Und ja, ich war dezent überfordert mit der Situation. Übrigens auch eine sehr ernüchternde Erfahrung. Ich dachte eigentlich ich hätte schon ein bisschen Farbe angenommen, aber die Kids im Dorf waren vor allem fasziniert davon, dass ich ja tatsächlich Schneeweiß sei. Und das taten sie auch laut kund. Nachdem er Fotos von uns mit den Kindern geschossen hatte (weil das ganze Team die Situation wohl sehr belustigend fand) kam Alexie abermals zur Rettung und es ging zurück Richtung Pickup Truck. Diesmal nahmen Rosa und ich auf der Ladefläche platz weil im Pickup nicht genug Platz war. Klingt komisch, aber das war deutlich komfortabler. Und der Fahrtwind tat auch ziemlich gut. Ist halt schon irgendwie geil auf der Ladefläche von nem Pickup durch den kamerunischen Wald und die Dörfer zu brettern. Etwas unangenehm wurde das ganze dann bei einem der zahlreichen Polizeicheckpoints. Der Motor des Pickups viel nämlich kurz vor der Schranke eines solchen aus. Der Fahrer konnte also nicht bremsen und wir rauschten durch die Schranke, fast wäre mir selbige auf den Kopf gekracht. Ich hab nicht sofort gecheckt was los ist (der ganze Wagen hat so laut gerattert und geklappert, dass ich nicht hören konnte ob der Motor läuft oder nicht) und fands irgendwie ein bisschen witzig, dass unser Fahrer knallhart durch den Checkpoint rauscht, bis dann ein Bulle mit gezogener Knarre unserem Wagen hinterher sprintete. Da überkam mich dann doch kurzzeitig ein mulmiges Gefühl. So ohne jeglichen Schutz auf der Ladefläche, direkt vor meine Nase ein Cop mit gezogener Knarre.. Irgendwie witzig, so manch anderen hätte das wohl mehr traumatisiert ein Besuch in der Kirche. Naja, Handbremse sei dank hielt der Wagen dann doch und darauf folgte eine endlos lange Diskussion mit besagtem Cop, der wohl dachte wir hätten was zu verbergen und hätten deshalb versucht der Kontrolle zu entgehen oder so. Naja, irgendwann durften wir dann doch weiter und der Rest der Rückreise verlief dann Reibungslos. Als wir Abends ankamen war dann aber wieder nicht mehr viel mit uns anzufangen und da gings dann schnell in die Heia.

Einiges am Freitag hat mich jedoch ziemlich stutzig gemacht. Die überproportionale Freude darüber Weiße zu Gast zu haben hat mich doch ein bisschen überrascht. Die Anwesenheit von Weißen scheint automatisch in Zusammenhang mit dem Gedanken „die helfen uns, die tun was gutes für uns“ zu stehen. Dass es aber doch die Länder sind aus denen diese Weißen kommen, die doch mitverantwortlich sind für die Armut in der diese Menschen leben, scheint ausgeblendet. Versteht mich nicht falsch, ich will nicht sagen, dass ich es in Ordnung gefunden hätte für das was die BRD und andere Wirtschaftsmächte so treiben verantwortlich gemacht zu werden. Aber nirgendwo hätte ich gewisse Vorurteile eher nachvollziehen können als dort. Darüber hinaus erschien es mir doch auch als ziemlich seltsam mich/uns für ein Projekt, dass für die Leute tatsächlich nur eine minimale Verbesserung mit sich bringt und vorrangig dann doch einen Konzern der als „Mittelmann“ dient zugute kommt derartig feiern zu lassen.

Ich bin aber auch noch ein bisschen am beobachten wie die Leute hier ticken und wie hier alles so funktioniert. Vielleicht kommt ja in dem nächsten Monaten irgendwann mal was, was kein reiner Erlebnisbericht ist sondern auch ein bisschen Analyse hat 😉

Über meine 4. Woche gibt’s nicht viel zu berichten. Ich bin eigentlich größtenteils damit beschäftigt an meinen Projekten zu arbeiten. OGCEYOD – Falcons sind zwar fertig geschrieben, aber kurzzeitig auf Eis gelegt weil ich alle Hände voll mit der „One Billion Rising“ Kampagne im Februar zu tun habe und nebenher auch schon das „In Between“ Zeitungsprojekt läuft und die Treffen mit den Kids dafür wollen natürlich auch vorbereitet sein. Außerdem muss ich mich eigentlich auch noch für unseren World Aids Day Workshop vorbereiten. Jetzt im Moment also keine spannenden Geschichten sondern nur Arbeit, Arbeit, Arbeit =)

Gebt laut wenn euch die Projekte interessieren die ich geschrieben habe/schreibe. Dann stell ich die Anträge online =)

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