Spontane Hasstiraden
(un)durchdachte Liebeslieder
Menschenrechte und so Quark…

Menschen-, Frauen- und Kinderrechte waren vor meiner Abreise nach Kamerun irgendwie so ein omnipräsentes Thema. Die Diskussionen die ich über dieses Thema geführt habe kann ich glaube ich nicht mal mehr zählen. Wie oft mir unterstellt wurde Menschen zu verachten weil ich diese Rechte nicht für was gutes und für einen schlechten Witz der Herrschenden halte, kann ich genauso wenig zählen. Vor allem denjenigen denen ich für diese Unterstellungen danken darf, würde ich gerne mal frech und Argument-frei ans Herz legen mal nach Kamerun, Nigeria, Senegal, Zimbabwe oder sonst wohin zugehen, sich mal an zu schauen wies da so abgeht und daran dann vielleicht nochmal zu überprüfen wie viel sie eigentlich auf ihre geilen Menschenrechte geben können. Da könntet ihr ja auch mal ausprobieren wie weit ihr mit eurem Argument „Das verstößt aber gegen die Menschenrechte“ kommt.

Das ist hier jetzt auch keine vollständige Analyse oder sonst was, nur eine spontane Hassentladung. Viel Spaß damit =)

Am 10.12. wurde der internationale Tag des Menschenrechts gefeiert. Für uns von OGCEYOD – Kamerun, hieß das ab in ein paar Grundschulen und den Kids erzählen was sie alles für coole Rechte haben. Nicht ganz das was ich normalerweise für eine sinnvolle politische Praxis halten würde, aber was muss das muss dann wohl. Nach ein bisschen Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens, machten wir uns dann daran dieses Aufklärungsprogramm vorzubereiten. Hirn ausschalten und ohne jegliche Wertung den Kindern erzählen was sie so für Rechte haben, ja das krieg ich schon hin. Dachte ich mir so… Nur ist das ganze hier halt nochmal ein bisschen komplizierter. Erstmal muss man wissen, dass es in Kamerun verboten ist die Regierung öffentlich zu kritisieren. Zweitens muss man wissen, dass viele Sachen die Menschenrechtsverletzungen bzw. in diesem speziellen Fall Kinderrechtsverletzungen sind in Kamerun nicht nur gesetzlich geduldet sondern auch von Eltern und Schulen praktiziert und für richtig befunden werden und allgemein gesellschaftlich akzeptiert sind. Ich meine jetzt nicht vorrangig die Sachen wie Menschenhandel für Kinderarbeit und Prostitution (wofür Kamerun auch ein wichtiger Schnittpunkt ist), ich meine Sachen wie das (gesetzlich festgeschriebene) Recht des Mannes seine Ehefrau körperlich zu züchtigen oder wie in diesem Fall relevant die allgemein verbreitete Ansicht, dass man Kinder verprügeln muss um sie ordentlich zu erziehen. Drittens muss man wissen, dass gute Beziehungen zu Schulen der Dreh und Angelpunkt der Jugendarbeit unserer Organisation ist. Alles was an Jugendarbeit läuft, läuft über Kontakt zu Schulen, dementsprechend will man diesen hier eher ungern auf die Füße treten. Also muss erstmal aussortiert werden was zu kontrovers wäre und was man dementsprechend nicht mit den Kindern ausdiskutieren würde. Mit einer ausgedünnten Zusammenfassung der Kinderrechte traten wir also vor die Kids. Also hieß es für mich mal wieder ne doppelte Ladung Kreide fressen bitte sehr..

Ja… worauf will sie denn damit bloß hinaus? Machen wir da nen ordentlichen demokratischen Rechtsstaat wo diese Rechte gewährleistet und durchgesetzt werden und dann passt das doch.

Ja ne, oder halt auch nicht.

Der Aspekt auf den ich hinaus will ist ein ganz Grundlegender in der Kritik am Menschenrecht. Nämlich der, dass ein Recht offensichtlich immer einen Gewaltapparat braucht der diesen durchsetzt. Das ist der erste Punkt den ich meistens anführe, wer mich schon mit dem Thema genervt hat kennt das auch schon. 😉 Da könnt ihr empört die Hände über dem Kopf zusammenklatschen und schreien, dass das Menschenrecht ein natürliches (wie auch immer das gehen soll) Recht sei und jedem zusteht. Wenn sie nicht von einem staatlichen Gewaltapparat durchgesetzt werden, könnten sie genauso gut nicht existent sein. Mal ganz abgesehen davon, dass es doch schon irgendwie ein bisschen seltsam ist dem Staat dafür zu danken, dass er einem zwischen den ganzen Gesetzen und Einschränkungen z.B. das Recht zu leben einräumt. Danke Vater Staat, dass du mir das zumindest mal erlaubst. Voll emanzipatorisch und so.

Irgendwie scheint auch die Ansicht, mit einem demokratischeren Staat würden die Menschenrechte plötzlich gewährleistet recht verbreitet. Das ignoriert aber komplett die ökonomische Situationen eines großen Teils der Familien auf dem afrikanischem Kontinent. Oder glaubt ihr etwa nur weil die staatliche Herrschaft etwas anders organisiert ist blüht die Wirtschaft automatisch auf? Mal vollkommen abgesehen davon, dass eine funktionierende Wirtschaft noch lange kein Garant für das Wohlergehen der Menschen ist (Stichwörter BRD: Hartz IV, Krisengewinner, Niedriglohnsektor und nein, „besser als woanders.“ ist noch lange nicht gut.). Was soll also der Ansatz sein? Sollen also Eltern die ihre Kinder arbeiten schicken müssen damit alle satt werden dafür eingeknastet werden? Oder wollt ihr denen erzählen „Nein, schickt eure Kinder nicht arbeiten, verhungert lieber wenn euer Lohn nicht reicht?“ Auf die Gefahr hin moralisch zu werden: Wer ist hier denn jetzt bitte Menschenverachtend? Es wird auch recht gerne angeführt, dass aber ja die Staaten die als Muster-Demokratien durchgehen können ja auch die sind die die wirtschaftlich am besten dastehen. Das ist aber doch relativ nichtssagend. Wenn der Staat wirtschaftlich gut dasteht, verhungern die Leute immerhin nicht an jeder Ecke. Wenn die Leute nicht an jeder Ecke verhungern gibt’s halt auch weniger Anlass für Kinderarbeit, Menschenhandel und so Sachen. Hat also recht wenig damit zu tun, dass es sich um einen demokratischen Staat handelt, sondern damit, dass dieser effektiv geführt wird. Nur weil ein anderer Staat jetzt demokratischer wird, kann er doch noch lange nicht automatisch in der Konkurrenz mithalten. Wie soll das denn bitte gehen?

Kinder geraten in die Hände von Menschenhändlern die ihren Eltern z.B. eine blühende Zukunft in Europa versprechen und werden so zu Sklavenarbeit oder Prostitution gezwungen weil die Lage der Eltern erstmal so beschissen ist, dass sie keinen anderen Ausweg wissen. Kinder müssen nicht arbeiten weil ihre Eltern brutale Arschlöcher sind, sondern meistens weil ihre Eltern einfach scheiße Arm sind.

Die Ursache dafür, dass es Menschen auf diesem scheiß Planeten miserabel geht ist demnach nicht das nicht vorhanden sein von „echter Demokratie“ oder, dass Menschenrechte nicht durchgesetzt werden. Es ist die Armut die mit kapitalistischer Produktionsweise und Staatenkonkurrenz zusammenhängt. Diese Sachen verschwinden halt nicht automatisch wenn alle Staaten Muster-Demokratien werden. Wie soll das denn gehen?

Zusätzlich gäbe es da noch den Aspekt der kulturellen Prägung. Klar werden auch in europäischen Ländern Kinder zwecks Erziehung körperlich gezüchtigt. Allerdings ist es dort größtenteils verpöhnt und gesellschaftlich geächtet. Ganz anders hier. Ich will damit nicht sagen, dass ich es in Ordnung finde, dass die Leute hier ihre Kinder windelweich kloppen nur weil sie es in Ordnung finden. Ich will sagen, dass es doch recht schwierig ist z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit durchzusetzen wenn es gesellschaftlich vollkommen akzeptiert, normal und gängige Erziehungspraxis ist die Kinder zu verschlagen. Zugegeben, an Schulen geht die Praxis der körperlichen Züchtigung zurück, ist aber dennoch vorhanden. Die meisten Menschen hier würden überhaupt nicht gut darauf reagieren wenn man ihnen das verdreschen ihrer Kinder verbieten würde. Worauf ich hinaus will ist, dass man ein Problem welches seinen Ursprung in kultureller Prägung hat nicht mit dem Durchsetzen von Gesetzen und Rechten verschwinden lassen kann. Wer noch nie ein anderes Erziehungskonzept als Prügel kennen gelernt hat und in einer Selbstverständlichkeit, dass dies richtig ist sozialisiert wurde, wird meistens auch nicht auf die Idee kommen das anders zu machen. Hat auch recht wenig mit nem demokratischen Rechtsstaat zu tun. Klingt jetzt brutal, aber man könnte sagen wenn die Leute es fast alle in Ordnung finden ihre Kinder zu prügeln, dann ist es jawohl ziemlich demokratisch ihnen dies zu erlauben. Die Kinder die darunter leiden sind ja schließlich nur eine Minderheit.

Worauf ich hinaus will: Die Ursachen dafür, dass Menschen arm sind oder das Kinder verprügelt werden lassen sich nicht durch Demokratisierung und Menschenrechte zurückschlagen. Für ersteres braucht es den Umwurf kapitalistischer Verhältnisse und die grundlegende Umstrukturierung dieser Gesellschaft, für zweiteres sensibilisierungs Arbeit und Bildung. Wers nicht besser weiß kanns auch nicht besser machen.

Also reißt euch doch mal eure kack eurozentristische Brille vom Schädel und hört auf euch einen auf eure scheiß Menschenrechte runterzuholen.

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