Spontane Hasstiraden
(un)durchdachte Liebeslieder
Frohes Neues und der ganze Kram

So, die Weihnachtsferien sind rum (wurde nicht mal von den Urlaubstagen abgezogen, weil das Büro einfach komplett geschlossen war), ich sitze wieder im Büro rum und langweile mich, also glaube ich es wird mal wieder Zeit für ein Lebenszeichen von mir =)

Erstmal hoffe ich ihr habt alle fröhlich geweihnachtet oder geunweihnachtet oder wie auch immer, und seid kämpferisch und entschlossen ins neue Jahr gerutscht 😉 Ich war auf jeden Fall entschlossen mich zu betrinken und habe das auch kämpferisch durchgesetzt.

Weihnachten und Neujahr sind hier doch ganz schön anders als in Krautland. Weihnachten hat mich um ehrlich zu sein sehr überrascht. So religiös wie die Leute hier unterwegs sind (was bei uns hardcore Fundamentalisten wären, ist hier das völlig normale Maß an Gottesfurcht), habe ich zur Geburt Christi doch so einiges mehr an Traritrara erwartet. Schon komisch, während es in Deutschland schon Marzipan und Christstollen im Supermarkt gab bevor ich überhaupt abgereist bin, gab es bis ein paar Tage vor Weihnachten weder Weihnachtslieder, noch Deko. Dafür hängt die Deko aber jetzt immer noch. Ich war auch ziemlich überrascht, dass niemand versucht hat mich dazu zu überreden in die Kirche zu gehen. Für einen Moment habe ich tatsächlich gedacht, alle hätten inzwischen verstanden, dass es zwecklos ist, wurde Silvester dann aber eines besseren belehrt. Weihnachten selbst war im westlichen Sinne wirklich unweihnachtlich (darüber beschwere ich mich aber auch nicht). Hier gibt es aber auch keine traditionellen/besonderen Weihnachtsgerichte oder so. Es gibt das gleiche wie immer nur sehr viel MEHR davon.

Heiligabend haben wir damit verbracht von einer Bar zur nächsten zu ziehen, am ersten Weihnachtsfeiertag hatten wir dann aber darunter zu leiden. Alle wollten, dass wir bei ihnen essen. Also: nach 2 Stunden Schlaf, völlig restbesoffen in einer Bollenhitze, in traditionellen Kleidern von Haus zu Haus um uns den Bauch voll zu schlagen. Als erstes ging es gleich morgens zu Ma Magie (Elvis’ Schwiegermutter in spe), bei der es für uns Yam und Grünzeug gab. Ich hab keine Ahnung wie der Spaß heißt, es war aber ober lecker. Es sah so ähnlich aus wie Ndole (mein Lieblingsessen hier, am liebsten mit Kochbanane oder mit Yam und weißen Bohnen), eine grüne Pampmasse aus „Bitterleaf“ und irgendwelchen gemahlenen Kernen, hatte aber zusätzlich noch Tomate drin, und war schärfer. Sie nannte es einfach nur „vegetable“, also keine Ahnung. Danach gings dann weiter zu unserem Kollegen Alexie und seiner Frau Espina. Dort gabs für uns Gemüse-Reis mit einem scharfen Tomateneintopf und Ndole. Von dort weiter nach Bota (einem Stadtteil der ein kleines bisschen weiter draußen liegt) zu unserem Freund Fabrice. Seine Mutter hatte voll aufgefahren und es gab auch wirklich einiges an fleischfreien Sachen die wir dort hätten vertilgen können, aber als wir dort ankamen war das einzige was Rosa und ich noch runter bekommen haben je eine winzig kleine Kochbanane mit einem bisschen Ndole. Hier wurden wir auch nicht mal gefragt was wir trinken wollen, Fabrice begann einfach uns Bier zu bringen, und fand es sehr belustigend wie lange wir in diesem Zustand gebraucht haben um dieses runter zu bekommen. Von Bota aus gings dann nach Down Beach, Mission: Iya aus der elterlichen Klauen entführen und auf die Weihnachtsparty unseres Freundes Leo verschleppen. Sie hatte (mit 23!) Hausarrest bekommen, weil sie am 24. zu lange mit uns aus war und den Weihnachtsgottesdienst verpasst hat (Anmerkung: Hier ist es völlig normal wenn die Kinder bei ihren Eltern leben bleiben, und so lange sie das tun ist ihr alter egal, sie haben auf ihre Eltern zu hören, ganz besonders die Töchter). Dass Rosa und ich in traditioneller Kleidung auftauchten, also sehr vernünftig gekleidet waren, plus die Tatsache, dass Iya während sie noch mit uns arbeitete dafür verantwortlich war uns zu helfen hier zurecht zu kommen, haben sicher geholfen. Mission geglückt. Ab nach Hause, umziehen, Weihnachts–Homeparty. Nach viel Wein, Whisky-Cola und Sekt dann ab in die Heia. Ich glaube wir haben uns den ganzen 26. beide nicht wirklich aus dem Bett bewegt.

Das nächste große Ding war dann Silvester. Silvester ist in Kamerun der Abend an dem die Kirchen am vollsten sind. So gut wie alle, selbst die die nicht regelmäßig in die Kirche gehen wollen gesegnet ins neue Jahr starten. Es kommt auch durchaus vor, dass sich Massen von Leuten in Bars im Umfeld ihrer Kirche betrinken, dann kurz vor Mitternacht in die Kirche rennen, und dann zurück in ihre Bar. Ich musste am 31. feststellen, dass zumindest Iya immer noch ihr Ziel mich in die Kirche zu schleifen verfolgt (genau wie ihr Vorhaben mich dazu zu bringen nochmal Fisch zu essen, oder mal was mit Fleisch zu essen. Sie scheitert jedoch kläglich auf allen Ebenen). Sie tauchte am frühen Abend in unserer Wohnung auf um uns zu informieren, dass der Gottesdienst in ihrer Kirche um 22 Uhr beginnt und, dass wir doch bitte mitkommen sollten. Während ich standhaft blieb (als ob ich den Jahreswechsel in der Kirche verbringe..) lenkte Rosa ein. Ich hatte aber auch eine gute Ausrede parat, denn unser Freund Leo schmiss wieder eine Homeparty und ich hatte ihm gesagt ich würde ihm bei den Vorbereitungen helfen. Dort gab es allerdings nicht so wahnsinnig viel zu tun, also gesellte ich mich zu Fab und Roland die wir auf der Weihnachtsparty kennen lernten und mit denen wir seither fast jeden Abend trinken. Die beiden saßen in einer Bar Namens Blue Print die sich direkt unter Leos Wohnung befindet. Ganz praktisch also. Blue Print ist glaube ich über die Weihnachtsferien so was wie unser zweites Wohnzimmer geworden. Achja, ich hatte das Glück, dass die beiden nicht in die Kirche gingen (ich glaube Fab wollte eigentlich gehen, hat aber wohl die Zeit vergessen) also hatte ich Gesellschaft. Nach 12 gings dann wieder auf die Homeparty. Also ganz cool.

Neujahr läuft wohl in der Regel ähnlich ab wie der 2. Weihnachtsfeiertag. Man schlägt sich überall den Bauch voll und Abends wird dann wieder hart gefeiert. Dessen waren wir uns blöderweise nicht bewusst. Dafür waren wir dann gut ausgeschlafen, als Abends wieder die Feierei losging. Auch wenn Alexie und Espina ein kleines wenig traurig waren, weil wir nicht zum Essen bei ihnen aufgetaucht sind.

Im großen und ganzen kann man glaube ich sagen, dass wir unsere 2 Wochen Ferien vor allem mit feiern, schlafen, schwimmen und um Strand chillen verbracht haben. Einen Ausflug zum botanischen Garten haben wir dennoch auf die Reihe bekommen. Ist echt hübsch da. Yvette mit der wir hingegangen sind ist allerdings echt ne Nummer für sich. Ich versuche inzwischen die Bibel-Diskussionen zu vermeiden weil sie mir einfach nur auf den Keks gehen und ich echt die Schnauze voll hab von Leuten die versuchen mich zu bekehren. Aber mit ihr ist das unmöglich. Sie ist der festen Überzeugung, dass wir uns in der Endzeit befinden, warum sonst, sollten Menschen auf die Idee kommen sich gegen ihre Regierung zu stellen? Außerdem habe es ja noch nie soviel Krieg und Unglück auf der Welt gegeben wie jetzt. Und das sind Zeichen für die Endzeit. Jesus kommt bald um die Gläubigen zu retten und alle anderen kommen in die Hölle. Ehrlich: Ich war so was von vollkommen überfordert mit ihr… Ich hatte keine Ahnung wo ich überhaupt anfangen sollte. So viel kann man gar nicht auf einmal erklären. Ich glaube die Diskussion endete damit, dass sie für mich beten würde. Ich habe glaube ich 2 Tage gebraucht um darüber hinweg zu kommen, dass es Menschen gibt die so was wirklich glauben.

Am Sonntag, also an unserem letzten freien Tag haben wir uns mit den beiden anderen Freiwilligen aus Krautland an einem Pool getroffen. Die Anlage heißt SS Club… Ich habe einfach mal nicht nachgefragt woher der Name kommt, fühlte mich aber dennoch ein bisschen komisch wenn jemand fragte wo wir schwimmen waren und ich „SS Club“ antwortete. Die beiden sind während ihren Weihnachtsferien gereist und schienen ein wenig geschockt, dass das einzige neue was wir in den zwei Wochen entdeckt hatten neue Bars, Pools und Strände waren. Tjaja, so ist das halt. Wir sind im Gegensatz zu den beiden ja ein ganzes Jahr da und haben auch noch unsere Urlaubstage die wir verballern können um rum zu reisen.

Montag war dann der erste Bürotag. Rosa und ich saßen pünktlich bereit, und warteten, und warteten… Irgendwann brachten wir in Erfahrung, dass Emmanuel in Douala war und Espina krank war, Alexie also zu Hause war um sie zu umsorgen. Also beschlossen wir nach dem Mittagessen das Büro einfach dicht zu machen und schwimmen zu gehen. Doch als wir gerade anfangen wollten rum zu telefonieren und Leuten bescheid zu sagen, dass sie sich bitte ganz flott zum Holiday Inn Pool bewegen sollten rief Alexie uns an und fragte wo wir waren. Die Hoffnung ihn davon überzeugen zu können, dass es keine Arbeit gibt und wir einfach schließen sollten starb dann auch, als er uns am Büro grinsend gegenüber stand und meinte „Today is keep office clean day“. Soooo ein Mist. Um 16 Uhr waren wir fertig und machten schon wieder zu. Das ist hier aber leider zu spät um noch schwimmen zu gehen. Um 19 Uhr wird’s dunkel und um 18 Uhr schließen die meisten Pools. Da wir doch ein bisschen genervt davon sind, dass wir die einzigen sind die morgens da sind (und selbst wir sind streng genommen eine Stunde zu spät dran) haben wir uns für heute eigentlich vorgenommen um 11 einfach zu gehen und einen Brief zu hinterlassen auf dem steht: „New year, new rule: If Rosa and Maike are still the only ones at the office by 11am, they get to leave and go to the beach. The boss pays. See you tomorrow at 8am“. Allerdings tauchte um 10 eine neue Praktikantin auf, also wurde aus dem Spaß nichts. Aber bald kommt Elvis aus New York zurück, dann läuft hier vielleicht wieder was. Momentan ist es ganz schön chaotisch, und da niemand wirklich was tut und alle den halben Tag nicht auftauchen, ist es auch nicht gerade eine besonders motivierende Arbeitsatmosphäre.

Irgendwann heute solls eigentlich zu einem Waisenheim gehen um endlich das Projekt da zu starten. Ich befürchte allerdings das wird mal wieder verschoben, da ich unseren lieben Mitbewohner Arnold hier im Büro den ganzen Tag noch nicht gesichtet habe. Ist aber auch echt nicht so schlimm wenn das heute nicht klappt. Es ist brüllend heiß und zu diesem Waisenheim muss man nen ziemlich steilen Berg hoch.

Und sonst so… Obwohl ich versuche einige Diskussionen zu vermeiden weil sie mich nur aufregen und ich sie inzwischen als zwecklos empfinde gibt es immer noch mehr als genug was hier ausdiskutiert wird. Ich bin hier im Büro wohl „die Diskussionswütige“. Ich glaube es war nett gemeint als Alexie meinte es wäre so gut wie unmöglich in einer Diskussion mit mir zu „gewinnen“. Ist aber dennoch eine denklich seltsame Herangehensweise. Ich habe das Gefühl hier wird gerne diskutiert, und hier wird auch gerne sehr angeregt diskutiert, das finde ich erstmal gut. Nur nimmt glaube ich niemand was aus diesen Diskussionen mit und beharrt auf seinen Standpunkt, egal wie gut die Gegenargumente sind. Ich glaube die sind es auch nicht gewohnt, dass sich eine Frau so bemerkbar in diese Diskussionen einmischt. Außerhalb vom Büro gibt es auch so bestimmte Antworten die ich nicht mehr hören kann. Wenn ich sage, dass ich nicht gläubig bin dann antworten bestimmt 80% der Leute mit denen ich bis jetzt geredet habe „aber nur weil du die Bibel nicht gelesen hast, du solltest die Bibel lesen“. Der Punkt ist aber meistens recht schnell abgehandelt wenn ich ihnen erkläre, dass ich zwar nicht die komplette Bibel durchgepaukt habe, mich aber dennoch allein in der Schule im Religionsunterricht sowie im Kunstgeschichte Studium recht intensiv mit einigen Passagen beschäftigt habe. Die einen schauen dann dumm, die anderen sagen dann muss ich sie falsch gelesen haben. Mit einem einzigen Menschen habe ich tatsächlich eine vernünftige Diskussion über Religion und die Bibel geführt. Er meinte zum Ende der Diskussion ich würde es nicht wissen, aber ich würde Gottes Arbeit tun und er sei sich sicher ich sei für große Dinge bestimmt. Das war dann doch wieder ein bisschen ernüchternd.

Also ja, die krassen Geschlechterrollen (Yvette z.B. studiert Gender Studies und meint z.B. die Intention hinter Genital-Verstümmlung bei Frauen und Mädchen, nämlich die Vorbeugung von sexueller Freizügigkeit wäre ja gut, nur sei dies halt das falsche Mittel) und wie krass religiös die Leute sind machen mich immer noch ein bisschen fertig, aber ansonsten ist es hier immer noch schön. Es überrascht mich selber wie gut ich hier trotz dieser Sachen klarkomme. Ist dennoch ein bisschen strange, dass die Leute mit denen ich politisch am meisten gemeinsam zu haben scheine ein paar gläubige, pazifistische Rastafaris sind. Dann gibt’s noch so n Häufchen Kerle die ich vom feiern kenne. Die positionieren sich zwar nicht besonders eindeutig, scheinen aber doch ziemlich interessiert daran was ich so zu erzählen habe. Die sind auch tatsächlich die ersten Leute mit denen ich keine Moraldiskussion übers stehlen führen musste als das Thema aufkam. Mit denen lässt sich vielleicht was anfangen. Vielleicht frag ich die mal ob sie Lust auf nen Lesekreis oder so was haben. Vermute aber, dass sie trotz Interesse lieber mit ihrem Bier in Blue Print sitzen bleiben.

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